Professional Producer

Verwertungsverträge die auf Beteiligungen beruhen, sollten stets folgende Elemente beinhalten:

 

1.Minimumgarantie:
Zahlt der Verwerter (Kinoverleih, Videovertrieb, Weltvertrieb) keine Garantie, ist sein Interesse an der Verwertung des Films marginal. Die Höhe der Minimumgarantie bestätigt das Interesse des Vertriebs an dem Film. Die Minimumgarantie ist verrechenbar mit späteren Erlösen.

2. Deckelung der Vor- und Marketingkosten:
Die Vertriebspauschale wird meist fix in Prozentpunkten vereinbart und ist vorabzugsfähig (erst danach erhält der Produzent Geld aus der Verwertung). Die Vorkosten und die Marketingkosten bieten jedoch die Möglichkeit jeden Erlös auf Null zu rechnen. Es empfiehlt sich also ein betrags- oder Prozentgrenze bis zu der Marketing und Vorkosten entstehen dürfen. Darüber hinaus muss die gesonderte Genehmigung des Produzenten vorliegen.

3. Collecting Agent:
Wird ein Vertriebsgebiet bestimmt, dass über die Bundesrepublik Deutschland hinaus geht, so ist ein collecting agent zu beauftragen, der die Erlöse einsammelt. Dieser hat an Vertrieb und Produzent Abrechnungen zu schicken. Bestenfalls zahlt er auch die Erlöse an die Parteien getrennt aus.

4. Rechnet der Vertrieb selbst ab,
so sollte Abrechnung, Aufstellung der Ausgaben und Einnahmen sowie Auszahlung zweimal pro Jahr erfolgen. Die Fristen zwischen Abrechnung und Auszahlung sollten nicht mehr als sechs Wochen betragen. Der Produzent muss ein Bucheinsichtsrecht erhalten, dass er zweimal pro Jahr ausüben.

5. Keine Cross Collaterisation:
Erlöse aus einer Vertriebsart dürfen nicht mit Verlusten aus anderen Vertriebsarten oder Gebieten verrechnet werden. Der Vertrieb muss ein eigenes wirtschaftliches Risiko tragen und erhält im übrigen Vorkosten, Marketingkosten etc. erstattet. Deshalb muss er Gewinne z. B. aus der Videoverwertung in Großbritannien weitergeben und kann sie nicht mit Verlusten aus der Kinoverwertung in Frankreich verrechnen.

6. Das Vertriebsgebiet USA
ist grundsätzlich mit einem niedrigeren Prozentsatz an Vertriebspauschalen zu vergüten als der Rest der Welt. Das Vertriebsgebiet ist größer und die Vergütung höher, obwohl der selbe Arbeitsaufwand besteht, wie für jedes andere Land. Auch gibt es weit mehr Interessenten.


Interview im "Medien Bulletin"

Mobile – Gewinner der New Economy

Herr Jacobshagen, Sie sind Jurist und Wirtschaftsexperte und haben eine Menge Erfahrungen in Sachen Verträge zwischen verschiedensten Marktteilnehmern im audiovisuellen Medienbereich sammeln können. Werden die Digitalisierung und die damit verbundenen neuen Vertriebswege tatsächlich den Medienmarkt entscheidend verändern  – und wird das speziell für Produzenten zu einer neuen Ausgangslage führen?

Die mit der Digitalisierung verbundenen Marktveränderungen werden eine Revolution auslösen, über deren Tragweite sich heute noch kaum jemand richtig bewusst ist.

Nach dem Zusammenbruch der New Economy hört man den Begriff Revolution nicht mehr so gerne. Was meinen Sie damit?

Die Digitalisierung führt dazu, dass der Aufwand, audiovisuelle Produkte zum Zuschauer zu bringen, viel geringer wird: schneller, einfacher. Die heute benötigten Transportmittel wie Filmrollen, Kassetten, CD- und DVD-Presswerke werden künftig nicht mehr gebraucht. Der Zugang zum Kunden wird allein über digitale Datenströme gelenkt. Dadurch wird der Markt viel größer. Die Revolution wird sich am stärksten im Kinofilm-Bereich auswirken. Wenn man die teuren Filmrollen nicht mehr braucht, wird die Rolle der Verleiher fraglich. Ein Kino kann das Programm täglich, stündlich ändern. Auch Filme die sonst keine Chance gegen den Mainstream haben, können dann ohne Aufwand in beliebig vielen Kinos eingesetzt werden. Ein Arthouse-Film könnte dann davon profitieren, dass Mainstream Hollywood-Kino zu gewissen Vorführungszeiten schwächelt.

Ich möchte den MEDIEN BULLETIN-Lesern drei Thesen von mir zur Entwicklung des digitalen Medienmarktes in die Hand geben, die ich zumindest aus aktueller Sicht – April 2005 – für zentral halte. Erstens: Die klassischen Vertriebswege werden um sehr viele neue Wege ergänzt. Zweitens, wie bereits erwähnt: Aufgrund der Digitalisierung gibt es im Medienbereich bereits heute viel mehr Marktteilnehmer und ihre Anzahl wird sich weiter potenzieren. Drittens: Es entwickeln sich ganz neue Verwertungsmärkte. Und der Bereich, den man aktuell ganz besonders im Auge haben sollte, ist der mobile Markt.

Von der Zukunft in die Gegenwart: Was raten Sie unabhängigen Film- und TV-Produzenten vor diesem Hintergrund hinsichtlich des Umgangs mit ihren Rechten an dem Content? Sollen sie sich jetzt weigern, Auftragsproduktionen zu realisieren, mit denen sie gleichzeitig 100 Prozent ihrer Rechte an die Sender – also nur einen der möglichen Vertriebswege – verkaufen?

Das Thema wird schon seit vielen Jahren zwischen dem Produzentenverband und den TV-Sendern rauf und runter diskutiert. Die TV-Sender werden aber ihr ehernes Grundprinzip, 100 Prozent Zahlung gegen 100 Prozent Rechte, nicht so schnell aufgeben. Allerdings gibt es neuerdings bei ihnen eine Änderung im Denken: Fernsehsender rechnen ihre Programmkosten knallhart durch, und wenn ein Produzent ihnen ein attraktives Angebot unterbreitet, die Programmkosten reduzieren zu können, dann machen sie es auch.

Die großen kommerziellen Sender von RTL bis Sat.1 wollen alle mittels Diversifikationsstrategien neue Erlösquellen auftun. Also sind sie vermutlich mehr denn je am vollen Besitz der Rechte interessiert, um den Content über neue Vertriebswege des digitalen Marktes zusätzlich zu Geld zu machen?

Richtig. Aber auch für die Produzenten kann es ein Vorteil sein, dass sich die Marktteilnehmer im digitalen Medienmarkt vervielfacht haben und sich weiter vervielfachen werden. Früher hatten Produzenten fünf TV-Sender, acht Kinofilmverleiher und drei Video-Distributoren als Ansprechpartner für den Vertrieb ihrer Produktionen und Inhalte in Deutschland. Mittlerweile sind neue – auch große internationale - Unternehmen in den Markt eingetreten: Telekommunikationsanbieter, Kabelanbieter, Computerhersteller, etwa die KDG, T-Online oder Vodafone. Natürlich möchten gerade die Fernsehsender in diesem neuen Geschäft dabei sein. Sie wissen aber auch, dass ihre Distributionseinheiten nicht in allen Fällen so optimal sind wie zum Beispiel die eines spezialisierten Unternehmens. Und wenn die Sender merken, dass man mit einem kompetenten Partner – zum Beispiel einem Produzenten oder technischen Dienstleister – in diesem spezialisierten Gebiet mehr Geld verdienen kann als im Alleingang, dann werden sie das auch zu schätzen wissen. Rechnen können die TV-Sender auch. Zudem darf nicht übersehen werden, dass in den USA gerade wieder der Gegentrend einsetzt: Viacom will sich als erster Konzern von dem Modell "integrierter Medienkonzern" verabschieden, andere wollen folgen. Die Synergien sind einfach nicht entstanden, die "Konzernräson" hat nicht dazu geführt, dass die Konzerne effektiv mehr Geld verdient haben. Spezialisierte Anbieter werden in den Medien wieder die Nase vorn haben.

Ein schlauer Produzent sollte in einem bestimmten Verwertungsmarkt einen Know-how-Vorsprung haben, den er gegenüber dem Sender geschickt zum Ausdruck bringt?

Genau. Der Produzent muss davon ausgehen, dass ein Free-TV-Sender immer dem Prinzip folgt: 100 Prozent Zahlung gegen 100 Prozent Rechteabtretung. Er sollte sich also vor den Vertragsverhandlungen schlau machen, ob er aufgrund eigener Kontakte zu Vertriebspartnern ein intelligentes alternatives Angebot machen kann, das der Sender nicht ausschlagen kann.

Was könnte das sein?

Beispielsweise: Das Angebot für den Verkauf der "Mobile"-Rechte an einen großen Mobilfunkhersteller oder der Game-Rechte an einen Game-Hersteller. Dann kann der Produzent sagen: "Schau Sender, das habe ich und wir teilen den Gewinn, Deine Programmkosten werden niedriger und ich habe ein bisschen Extra-Gewinn." In diesem Fall wäre der Sender vielleicht nicht abgeneigt.

Aber der Produzent ist doch in einer schwierigeren Lage als der TV-Sender, weil sich ein Mobilfunkanbieter vermutlich lieber an eine schon gut eingeführte, für eine spezielle Zielgruppe besonders attraktive TV-Sender-Marke wie GZSZ anhängen möchte?

Nicht zwingend. Eingeführte Marken sind gut, aber z. B. die Mobilfunkanbieter werden eigene Marken brauchen und Produktionen, die speziell auf sie zugeschnitten sind. Für den neuen digitalen Medienmarkt gilt generell: Man muss sich jeden Vertriebsweg, jedes Empfangsgerät genau ansehen. Jedes Medium hat andere Bedürfnisse und wenn man eine Produktion hat, die diese Bedürfnisse erfüllt, erhält einen Produzent einen neuen, geldwerten Vertriebsweg. Viel spannender: Es wird auch Produktionen extra für Mobilfunk, digitale Spartenkanäle, Computer etc. geben und ein Produzent kann den umgekehrten Weg gehen. Zum Beispiel kann er eine Produktion, die für den Mobilfunkmarkt entwickelt wurde, bei Erfolg auch dem Free-TV  anbieten oder in der Wertschöpfungskette via weiterer Medien auswerten.

Nach dem Zusammenbruch der New Economy und der enttäuschten UMTS-Euphorie kann sich hier kaum ein Branchenexperte vorstellen, dass die Ausstrahlung von TV- und Filminhalten über mobile Handheld-Geräte wie etwa Handys Erfolg versprechend ist. Sie aber scheinen da eine andere Sichtweise zu haben?

Das dachte ich auch, aber der Markt belehrt uns eines Besseren. Die Entwicklung folgt meist dem Markt, der technisch am weitesten ist. Erstaunlicherweise sind das nicht die USA und auch nicht Japan, sondern Südkorea. In Südkorea sind schon die neuesten größeren Displays für Mobiles und Handheld-Geräte auf dem Markt. Südkoreaner gucken sich in der U-Bahn die Daily-Soaps des vergangenen Tages, die sie verpasst haben, an. In diese Richtung wird sich der Mobile-Markt überall entwickeln.

Ein großer Filmhändler, Summit, verkauft mittlerweile schon Spielfilm-Rechte für den Mobile-Markt in Südkorea für fünfstellige Summen …

Wirklich?

Das weiß ich zufälligerweise ganz genau. Und in diese Richtung bewegt sich der Weltmarkt insgesamt. In Japan wird es nicht mehr lange dauern, bis auch dort ganze Filme via Handy übertragen werden.

Was machen denn die Japaner in Sachen Mobile?

Die Japaner haben in einem ersten Schritt  einen Service aufgebaut, der eine TV-Daily-Folge des vergangenen Tages für Mobile in einem Fotoroman mit etwas Text und Zeichnungen aufbereitet. An diesem Service sind übrigens auch deutsche Firmen in führender Rolle beteiligt.

Wieso ist denn Ihrer Beobachtung nach gerade der Mobile Markt besonders attraktiv?

Erinnern wir uns an den Anfang der New Economy. Damals hat man gesagt, dass man den neuen Markt, der durch eine mediale Konvergenz charakterisiert ist, nur aufbauen könne, indem man in alle Bereiche investiert, da man nicht von Anfang an wissen könne, wer und was tatsächlich am Ende gewinnt. Dann kam um das Jahr 2000 die legendäre Aussage, wonach alle reich werden, alle wahnsinnig viel Geld verdienen werden. Dann brach der Markt zusammen. Aber die erste Aussage zum neuen Markt war genau richtig und hat sich bewahrheitet. Heute, 2005, wissen wir, dass sich der Mobile Markt zum Gewinner entwickelt hat. Als größter Gewinner in diesem Bereich hat sich das Berliner Unternehmen Jamba! entpuppt, das mittlerweile von seinen deutschen Betreibern für einen gigantischen Betrag verkauft worden ist. (Die Jamba! GmbH ist jetzt ein Tochterunternehmen von VeriSign, Inc. /Nasdaq: VRSN, dem weltweit führenden Anbieter von intelligenten Infrastrukturdiensten für Internet- und Telekommunikationsnetze./ d. Red.) Jamba! hatte zunächst mit den berühmten Kingeltönen für das Handy ein Millionengeschäft gemacht. Mittlerweile ist das Geschäft längst ausgeweitet worden auf beispielsweise "Wallpaper", die Hintergrundbilder für das Handy-Display bieten, Animationen, Games, Videostreams und selbst das ist erst der Anfang.

Warum ist Mobile der Gewinner der New Economy?

Im Vergleich zum Internet-Geschäft ist Mobile auf jeden Fall der Gewinner. Denn im World Wide Web wird immer noch kaum Geld verdient mit reinen Dienstleistungen. Bestes Beispiel ist Spiegel Online. Der redaktionelle und technische Aufwand ist nicht mit Banner-Werbung zu finanzieren. Sobald jemand im Internet etwas kostenpflichtig anbieten will, reagieren die Nutzer mit Ablehnung: Warum soll ich plötzlich etwas bezahlen, was ich vorher kostenlos bekommen habe? Zurzeit sind es Händler wie Amazon oder ebay, die im World Wide Web etwas verkaufen und nach langen Durststrecken Gewinne einfahren. Ansonsten ist das Internetgeschäft gemessen an den Gesamt-Investitionen eigentlich eine Pleite. Bei Mobile hingegen sind die Leute von Anfang an gewohnt für jede Leistung zu zahlen, und zwar sehr viel. Sie zahlen nicht nur für das Telefongespräch, sondern auch für Bilder und für Klingeltöne und Servieceleistungen. Das werden Ihnen leidgeprüfte Eltern von 15-Jährigen bestätigen.

Das hängt vielleicht damit zusammen, dass der einzelne Download auf Mobile ähnlich wie die Telefonbeteiligung bei Call In TV-Formaten auf den ersten Blick relativ preiswert wirkt?

Ein einzelner Download kostet nicht selten rund vier Euro, das finde ich nicht preiswert. Ein Kinoticket am Kinotag kostet dasselbe.

Im Internet passiert auch Neues. Zum Beispiel die DSL-Aktivitäten u.a. beim DSL-Marktführer T-Online. Ist das nicht für Produzenten sehr interessant?

Man muss unterscheiden, was wir meinen, wenn wir übers Internet sprechen. Da geht es primär um das World Wide Web mit seinen einzelnen "Pages": Spiegel.de, RTL.de, medienbulletin.de und so weiter. Solche Seiten sind für Produzenten eher uninteressant. DSL darf man nicht mit Internet gleichsetzen. DSL ist eine schnelle Leitung, ein digitaler Vertriebsweg, der perspektivisch mithilft, die klassischen Vertriebswege für Filme und Entertainment zu vervielfachen. DSL gehört zum Bereich Video on Demand, über den auch im Rahmen der New Economy viel gesprochen wurde, obwohl es damals noch keinen funktionierenden Dienst dafür gab. Jetzt entsteht der Markt. Es gibt Geld dafür. Neu ist in Deutschland auch, was die Kabelgesellschaften machen. Doch in Sachen DSL ist der Markt noch nicht da, wo er sein sollte. Er ist technisch noch nicht ausgereift. Es gibt Versuche. Aber der ganz simple Abruf eines Films auf Knopfdruck funktioniert immer noch nicht.

Im Gegensatz dazu kann man mit einem UMTS-Handy von Vodafone – ohne vorab in die Bedienungsanleitung zu schauen – auf Knopfdruck zwischen 14 TV-Kanälen hin und her zappen und auch den "Film des Monats" downloaden!

Eben: Der Mobile-Markt ist da schon weiter.

Zurzeit sieht es so aus, als werde sich Pay-TV doch auch in Deutschland wider frühere Erwartungen als eine feste Größe neben dem Free-TV-Angebot etablieren. Premiere ist in den schwarzen Zahlen und hat einen sehr erfolgreichen Börsengang hingelegt. Kabelgesellschaften, allen voran die KDG, wollen in ähnliche Richtungen schreiten. Ausländische Spartenprogramme drängen in den deutschen Markt und auch viele hiesige Medienunternehmer werden in diesem Bereich aktiv. Wie beurteilen Sie diese Entwicklungen im Pay-TV-Bereich auch hinsichtlich der neuen Chancen für Produzenten? Und geht es hierbei wirklich um „Pay-TV“ oder eher „Abonnenten-Fernsehen“?

Dazu möchte ich einen neuen Begriff einführen: Neben Pay-TV, Stichwort: Premiere, und Free-TV, Stichwort: ARD, ist eine neue TV-Form getreten, die heißt "Basic-TV". Das ist kein wirkliches Pay-TV, denn die Nutzer zahlen eher für die Bereitstellung und die technische Möglichkeit, neue digitale Kanäle empfangen zu können. Von einem Anbieter, einer Kabelgesellschaft, werden mehrere Kanäle für eine relativ geringe Zustellungsgebühr angeboten, sagen wir für 9,90 Euro. Mit dieser geringen Zustellungsgebühr allein lassen sich aber zum Beispiel zehn TV-Kanäle nicht refinanzieren. Deshalb werden sich die Content-Anbieter durch eine Mischform aus Werbung und einem anteiligen Rücklauf aus der Zustellungsgebühr von verschiedenen Kabelgesellschaften finanzieren müssen. Aber immerhin: Einige Zuschauer zahlen dafür. Basic-TV ist auch eine Folge der Digitalisierung. So werden jetzt etwa 150 neue digitale TV-Kanäle hinzukommen. Und es wird auch eine Marktdurchdringung geben. Diese TV-Kanäle werden künftig von den Kabelgesellschaften zur Verfügung gestellt, aber auch von den Fernsehsendern und auch von dritten Marktteilnehmern, die sich Kanäle haben lizenzieren lassen. Deshalb gibt es hier eine Vielzahl von neuen Marktteilnehmern. Noch ist der Markt aber nicht groß genug, um interessant zu sein, weil es erst relativ wenige Zuschauer gibt. Aber die Kanäle werden zurzeit  aufgebaut.

Geschäftsmodelle mit dem Basic-TV stehen demnach auf dünnem Eis?

Man sollte das Basic-TV im Auge behalten. Auch in diesem Bereich müssen neue attraktive Angebote entstehen, die das Interesse der Zuschauer auf sich lenken.

Doch für Produzenten scheint der Markt zurzeit doch sehr unattraktiv zu sein, zumal sie ja ohnehin nicht über Programmstöcke über Zweitverwertungsrechte verfügen. Auch hier werden dann wohl eher die TV-Sender die Zusatzerlöse und das Kommando übernehmen?

Grundsätzlich darf man den Markt nicht überschätzen: Wer will 150 Kanäle sehen? Das werden Spartenprogramme sein. Die werden mit einigen 10.000 Zuschauern leben müssen. Damit kann man die Programme kaum finanzieren. Das kann man im Prinzip nur mit Nachverwertungen machen: Dritt- oder Viertverwertungen. Aber: Die Anbieter müssen sich auch irgendetwas Neues einfallen lassen. Denn wenn der Zuschauer 150 Kanäle als Angebot hat, muss man ihm einen Grund geben, genau diesen Kanal zu gucken. Und deshalb werden sich auch im Basic-TV-Markt spezielle neue Angebote herauskristallisieren, die die Betreiber interessieren. Der kluge Produzent kann sich überlegen, ob er vielleicht ein Angebot hat, das speziell für diesen Markt optimal geeignet ist, und ob es sich für ihn lohnt, mit den Betreibern darüber zu sprechen. Oder er könnte auch auf die Vermarkter der Sender wie etwa SevenOne Media (Vermarkter der ProSieben-Sat.1-Senderfamilie, d. Red.) zugehen, um weitere Finanzierungs- und Auswertungsquellen zu erschließen, wenn er ein spezielles Angebot hat, das auch über den Verwertungsmarkt Basic-TV Erfolg versprechend ist in dem Sinn, dass sowohl er als Produzent als auch der Sender damit ein bisschen mehr Geld verdienen können.

Nico Hofmann, Chef der Produktionsfirma teamworx, die zur UFA gehört, hat kürzlich in einem Fachseminar erzählt, dass man versucht habe, Guillaume de Posch als Chef der ProSieben-Sat.1 Media davon zu überzeugen, dass es sinnvoll wäre, die Sat.1-Produktion "Die Luftbrücke" zuerst  bei Premiere und dann bei Sat.1 auszustrahlen. De Posch war aber nicht begeistert!

Gut, das kann passieren. Die zweistufige Verwertung, erst Pay-TV und dann Free-TV ist immerhin viele Jahre praktiziert worden. Im Moment wirken vielleicht noch alte Feindlichkeiten und Animositäten unter den beteiligten Unternehmen nach. Trotzdem gilt für Produzenten: Man muss sich bei jedem Projekt genau überlegen, welche Vertriebswege interessant sein könnten, um das spezielle Produkt an den Mann zu bringen. Nicht wahllos alle ansprechen, sondern gezielt mit intelligenten Geschäftsmodellen argumentieren.

Im Augenblick boomt die  DVD mit Kino- aber auch TV-Filmen. Hollywood-Majors verdienen schon mehr Geld mit dem DVD-Vertrieb als an der Kinokasse. Damit entwickelt sich der Home Entertainment Markt auch in Konkurrenz zum Free-TV-Markt. Wir beurteilen Sie die Relevanz dieser Entwicklung?

Viele sagen sogar: Die Hollywood Majos verdienen an der Kinokasse gar kein Geld mehr. Die Financial Times Deutschland hat vorgerechnet, dass der Oscar-prämierte Film "Monster" acht Millionen Dollar gekostet hat, 92 Millionen Dollar Box Office in den USA brachte und trotzdem ein Verlust-Geschäft war, wegen der gigantischen Marketingkosten. Kino bleibt aber trotzdem die Lokomotive für alle folgenden Nachauswertungen. Man braucht den Kinostart, um den Film "wertig" zu machen, alle Marktteilnehmer für die Produktion zu interessieren und den Film dann durch die gesamte Verwertungskette laufen zu lassen. Insofern ist es egal, ob der Film auch im Kino Geld verdient. Deshalb gibt es die Kurzformel der Hollywood-Majors: "Im Kino verdienen wir gar nichts, das Geld machen wir mit der DVD."

Fraglich ist aber, ob es so bleibt aufgrund des Preisverfalls und der Raubkopien bei der DVD?

Sicher. Es ist damit zu rechnen, dass der Filmbranche dasselbe wie der Musikbranche passiert. Wenn die Filmbranche mit den Preisen nicht aufpasst, wird das Geschäft erodieren. DVD brennen ist schon heute nicht viel komplizierter als die CD zu brennen. Irgendwann wird die DVD sicher sowieso vom Markt weggespült, weil die Verwertung von Filmen dann nur noch per digitalem Datenstrom kommt. Die DVD wird vermutlich einfach sterben. In diesem Zusammenhang ist auch eine andere Entwicklung interessant: Es gab früher eine Verwertungsform, die hieß "Straight to Video". Das war auch eine Auffangmöglichkeit für einen 35mm-Film, wenn der nicht ins Kino kam und nicht auf Festivals gezeigt wurde. Stattdessen wurde er direkt in die Videovermarktung gegeben. Renommierte Größen des internationalen Filmgeschäfts sind damit groß geworden, zum Beispiel Robert Rodrigues. Doch der Markt ist jetzt tot. Keiner weiß, warum. Heute ist das DVD-Angebot viel größer als das Video-Angebot es jemals war. Trotzdem ist der Markt, in dem jemand direkt für DVD produziert, zurzeit tot.

Der digitale Markt bleibt unsicher und unüberschaubar?

Man muss die digitalen Verwertungsketten als große Chance, als große Möglichkeit begreifen. Jetzt ist Intelligenz gefragt. Produzenten dürfen nicht wahllos alle denkbaren Marktpartner anfragen. Ich wiederhole es: Man muss mitdenken, ausgehend vom konkreten Projekt, vom konkreter Film, vom konkreten Entertainment-Angebot: Wen spricht das Produkt an, welche Wege führen zu der Zielgruppe?

Beispiel?

Es gibt eine Menge Beispiele. Spontan fällt mir, um bei der DVD zu bleiben, der Film "Luther" ein. Der Film war auch für die Schulen wichtig, weil man auch die Schüler heute nur noch über audiovisuelle Medien erreicht. Beim DVD-Vertrieb muss man unterscheiden zwischen Verleih, Vermietung, Vorführung  und Verkauf für die Nutzung zu Hause. Im Fall "Luther" gab es einen sehr gewinnträchtigen Markt für die nicht-kommerzielle Vorführung einer speziell dafür herausgebrachten DVD in Schulen.

Ein Vorbild ist für mich immer der Autor Michael Crichton ("Jurassic Park", "Nippon Connection"). Eigentlich ist er Autor, aber jetzt hat er die Verwertungskette umgedreht. Erst entwarf er das Game "Timeline", dann schrieb er das Buch zum Spiel, schließlich kam der Kinofilm. Warum nicht die klassische Art und Weise zu produzieren umkehren?

Bislang haben wir vorwiegend über Verwertungsketten in Bezug auf den Film gesprochen. Gilt das meiste auch für TV-Entertainmentformate wie zum Beispiel „Show“ und „Comedy“?

Entertainmentformate eignen sich sogar noch besser als Beispiel für die mobile Verwertung – aber auch für die Zwischenverwertung, weil diese Formate besser segmentierbar sind. Einen Film muss man vom ersten Ansatz immer als ein „homogenes Erlebnis“ sehen. Produzenten von Show und Comedy-Formaten sind im Markt der digitalen Vertriebswege ganz weit vorn. Für sie lohnt es sich in der Tat,  ganz spezielle Produkte für einen neuen Verwertungsmarkt anzubieten, ob Basic-TV oder Mobile. Zumal diese Unterhaltungsformate bereits in der Produktion wesentlich günstiger sind als Fiction-Programme. Es wird sicher auch einmal passieren, dass ein Format, das speziell für Mobile produziert worden ist, einem Free-TV-Sender dann so gut gefällt, dass er sagt, "Das machen wir auch."

Im Mobile Markt sind ja auch sowieso schon interaktive Games sehr beliebt!

Das ist eine der interessantesten Informationen des letzten Jahres: Die Games-Industrie hat zum ersten Mal den Umsatz von Hollywood überholt. Deshalb habe ich mir für mein Büro hier in Berlin auch das große Schild malen lassen, auf dem nur fünf Buchstaben stehen, nämlich "GAMES". Spiele sind aus der Schmuddelecke heraus und ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in der Entertainmentindustrie geworden mit Wechselwirkungen zu allen anderen Auswertungen. Spiele sind schon oft Vorlagen für Filme gewesen, umgekehrt werden aus Filmen ständig Games. Im Kleinen funktioniert das auch in Deutschland. Eine zusätzliche Verwertung. Aus der Game-Verwertung folgen wieder Möglichkeiten ein Produkt für Mobiltelefone zu konfektionieren oder zum Beispiel DVDs mit Game und Film anzubieten.

Haben Sie zum Schluss vielleicht noch einen zusammenfassenden Tipp für Produzenten auf dem Lager?

Das Wichtigste für den unabhängigen Produzenten ist, die Rechte an seinem Film oder seiner Entertainment-Produktion wie einen Kuchen aufzuteilen und zu vergeben, immer nur Teile. Die Verwertungsart muss so konkret wie möglich sein – auch hinsichtlich der Nutzung und des Zeitraums. Speziell beim Film, der ein langes Leben hat, sollte der Produzent alle Einzelteile wie ein Kronjuwel über die Jahre bewachen. Selbst Flops erzielen über viele Jahre noch Einkünfte.

Patrick Jacobshagen ist Autor der Bücher "Filmrecht" und "Filmrecht - Die Verträge", die sich in der Filmbranche zu Standardwerken entwickelt haben, zumal sie, wie die Rezensenten loben, eingängig und einfach geschrieben sind. Demnächst bringt Jacobshagen sein neuestes Buch „Filmbusiness“ - wieder verlegt von PPVMedien - auf den Markt.

Patrick Jacobshagen wurde 1967 in Hamburg geboren. Er studierte Jura und Wirtschaftswissenschaften in Bayern, Lausanne und Hamburg. In dieser Zeit war er auch Aufnahmeleiter und tummelte sich in Bordeaux und Miami. Seine berufliche Laufbahn begann er in der Filmindustrie bei Studio Babelsberg und war dann Justitiar der Multimedia Film- und Fernsehproduktion GmbH, Vorstand und Geschäftsführer des Norddeutschen Film- und Fernsehproduzentenverbandes sowie im Justitiariat der KirchMedia und der ProSiebenSat.1 Media AG. Als Anwalt vertrat er Produzenten, Regisseure, Schauspieler und Autoren. Patrick Jacobshagen ist selbständig mit zwei Anwaltskanzleien in Hamburg und Berlin tätig. Sein Spezialgebiet ist das Filmrecht in Verbindung mit Finanzierung und Verwertung. Eine weitere Kanzlei in München ist in Planung.